Nahrungsmittelallergien. Eine Plage der Neuzeit?

Nahrungsmittelallergien betreffen immer mehr Menschen weltweit. Auch, wenn die Diagnose einer echten Allergie nicht immer leicht ist, so schwanken die Zahlen je nach Studien zwischen 2 und 10 % der globalen Bevölkerung, zumindest in den Industrienationen[1-3]. Wichtig: Nahrungsmittelintoleranzen sind KEINE Allergien, aber dazu gleich mehr.

1. Was genau ist eine Nahrungsmittelallergie und was passiert in unserem Körper?

Nahrungsmittelallergien, wie auch Intoleranzen,  sind durch die European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI)[4] definiert als Nahrungsmittelunverträglichkeiten, jedoch mit folgendem Unterschied:

Allergien sind sogenannte nicht-toxische, also durch kein Gift ausgelöste, und Immunglobulin E  (IgE)-vermittelte immunologische Reaktionen gegen eigentlich harmlose Proteine aus Nahrungsmitteln, wohingegen Nahrungsmittelintoleranzen nicht-toxischem und nicht-immunologischem Ursprung sind.

Sprich: eine Intoleranz ist eine Unverträglichkeitsreaktion unseres Körpers gegen bestimmte Moleküle unserer Nahrung, welche nicht abgebaut werden können (wobei man dann von einer enzymatischen Intoleranz spricht, wie bei der bekannten Laktose-Intoleranz), gegen bestimmte Arzneimittel oder Lebensmittel-zusatzstoffe, welche ebenso nicht verstoffwechselt werden können (was man dann auch Pseudoallergien nennt) und somit zu allergieähnlichen Symptomen führen können.

Lebensmittelallergien gehören zu den sogenannten Typ I-Hypersensitivitätsreaktionen, welche IgE-vermittelte (also durch einen speziellen Antikörper-Typ vermittelte) Immunreaktionen gegen diverse Antigene (dann auch Allergene genannt) darstellen.
Das menschliche Immunsystem kann dabei gegen zahlreiche, absolut harmlose Allergene reagieren. Dazu gehören u.a. tierische Proteine, wie z.B. das Hühner-Eiweiß, auch Ovalbumin genannt, aber auch gegen Bestandteile von Erdnüssen, Fischen usw. Im Prinzip ist eine allergische Reaktion gegen jedwedes Allergen möglich, doch zum Glück nicht so verbreitet.

Folgendes passiert dabei auf zellulärer und molekularer Ebene bei erstmaligem Kontakt mit einem Allergen:
Ein in unseren Darm eingedrungenes Allergen wird durch spezielle Fresszellen (hauptsächlich dendritische Zellen) aufgenommen, prozessiert und in sehr kleinen Stückchen naiven T-Helfer-Zellen angeboten. Diese “schnuppern” wie ein Jagdhund an diesem Allergen-Bruchstück und reifen daraufhin zu sogenannten Th2-Zellen, einem speziellen Typ dieser naiven T-Helfer-Zellen, heran. Diese wiederum aktivieren B-Zellen, die Antikörper-produzierenden Zellen unseres Körpers, indem sie spezielle Botenstoffe produzieren, hauptsächlich das charakteristische Cytokin IL-4.
Dies führt dann schlussendlich zur Produktion besagter IgE-Antikörper, welche im Blut zirkulieren und an spezielle Rezeptoren auf der Oberfläche von basophilen Granulozyten, sowie Mastzellen zu binden. Dieser Prozess wird auch Sensibilisierung genannt.
Kommen wir dann erneut In Kontakt mit dem selben Allergen, bindet das Allergen auf die bereits gebundenen IgE-Antikörper auf der Oberfläche der sensibilisierten Mastzellen. Dabei kann es zur Quervernetzung mehrerer Antikörper-Rezeptor-Komplexe kommen, was schlussendlich zur Ausschüttung von Immunmodulatoren, wie dem berühmten Histamin führt. Und schon juckt und brennt es in den Augen, im Hals oder in der Nase.

2. Was sind die Symptome?

Auch wenn die Symptome natürlich von Mensch zu Mensch variieren können, so kann man doch einige Hauptsymptome herausfiltern, welche sich auch untereinander sehr ähneln:

Nahrungsmittelallergie

   Nahrungsmittelintoleranz

Allergische Rhinitis    Pruritus
Schwellungen der Zunge    Rötung der Haut
Nausea (Übelkeit)    Urtikaria (Nesselsucht)
Erbrechen    Allergische Rhinitis
Diarrhoe
   Nausea (Übelkeit)
seltener: allergisches Asthma, atopisches Ekzem, Pruritus (Juckreiz)    Diarrhoe
in Extremfällen: anaphylaktischer Schock  

3. Wie werden Nahrungsmittelallergien diagnostiziert?

Klassisch per Pricktest (der bekannte Hauttest, bei dem stark verdünnte Allergene in die Haut eingeritzt werden) und dem Antikörpernachweis per Bluttest.

4. Was sind die Ursachen und warum steigt die Zahl der Neuerkrankungen?

Zu den Ursachen und dem Anstieg der Erkranktengibt es momentan einige heiß diskutierte Theorien, da die genau Ursache nicht bekannt ist. Zudem gibt es, meiner Meinung nach, auch nicht DEN einen Auslöser, da viele Erkrankungen multifaktoriell zu sein scheinen. Zu nennen wäre die berühmte Hygiene-Hypothese, dass zu viel Sauberkeit einhergeht mit zu wenig Training unseres Immunsystems. Aber auch allgemeine Begriffe, wie Umwelt- und Luftverschmutzung werden oder ein Mangel an Vitamin D scheinen eine Rolle zu spielen. Erbliche Faktoren können wir in diesem Kontext ebenso nicht außer Acht lassen und ob ein zu früher oder zu später Kontakt mit bestimmten Nahrungsmitteln ein Faktor ist, ist ebenso nicht geklärt, obwohl es sehr interessante Hinweise dazu gibt. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der Befund, dass Kinder in US-Städten relativ häufig gegen Meeresfrüchte allergisch sind. Der Theorie nach liegt das daran, dass sie diese nie essen, stattdessen aber über Haut und Lunge mit Kakerlaken in Berührung kommen, die recht ähnliche Antigene haben[5].

6. Was kann man dagegen tun?

Leider nicht viel. Sehr wichtig ist das Vermeiden des Allergens. Die Symptome kann man durch das Verwenden von Antihistaminika- oder Mastzellstabilisator-Präparaten lindern.

7. Wie ist der Stand der Forschung?

Es gibt einige gute Ansätze, wie z.B. die Impfung mit speziellen Impfviren, welche das Allergen der Wahl in unseren Körper bringen[6] oder auch Bakterien[7], welche dahingehend modifiziert wurden, dass sie rekombinante Allergene synthetisieren. Leider steckt alles noch in den Kinderschuhen, da auch noch viel zu wenig über die genauen Ursachen bekannt ist. Der menschliche Darm ist ein Wunder und mit seinem Mikrobiom (einer Ansammlung an schätzungsweise bis zu 1014 Bakterienzellen) unglaublich komplex. Es wartet also noch sehr viel Arbeit auf die Forscherinnen und Forscher dieser Welt.

Quellen:
[1] http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0091674913018368

[2] http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/all.12305/full

[3] http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=185820

[4] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7503398?dopt=Abstract

[5] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21872304

[6] http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/all.12192/abstract

[7] https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/handle/10900/62399

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